Wie beim Menschen auch, hat die natürliche und bewegliche Wirbelsäule eine bestimmte Form. Das ist nicht eine Laune der Natur, sondern hat sehr wohl seine guten anatomischen Gründe.
Beim Menschen sind die physiologische Wirbelsäulenkrümmungen von der Seite betrachtet eine Doppel-S-Form. Sie ermöglicht den lockeren aufrechten Gang ohne großen Kraftaufwand, federt Sprünge und Stöße ab, ermöglicht eine hohe Stabilität und verteilt den Druck gleichmäßig auf die Wirbelkörper. So hat die Halswirbelsäule eine zervikale Lordose (Krümmung nach vorne), die Brustwirbelsäule eine thorakale Kyphose (nach hinten), die Lendenwirbelsäule eine lumbale Lordose (nach vorne) und das Kreuzbein eine sakrale Kyphose (nach hinten).
Bewegungseinschränkungen entstehen immer dann, wenn diese natürliche Krümmung zu stark ist oder aufgehoben. Bei Bandscheibenvorfällen kann man als Therapeut sogar häufig eine auffällig gerade Stelle der Wirbelsäule beobachten.
Doch wie kommt es zu dieser geraden Stelle? Die Muskulatur, die direkt an den Wirbeln anliegt, ist für die Lage der Wirbel, die Feinabstimmung der Bewegung und die Drehung und Stabilisierung der Wirbelsäule zuständig. Doch sie hat auch die Aufgabe im Falle eines Unfalls, Traumas oder dauerhaft anhaltenden Schmerzen die Wirbelsäule und das Rückenmark zu schützen in dem sie die Muskelspannung erhöht. Es kommt zu einer Kompression der Wirbel und damit zu einer Einschränkung der Bewegungsfähigkeit in alle Richtungen. Ist diese Kompression sehr stark, wird beim Menschen die Bandscheibe stark unter Druck gesetzt und es kann zum Bandscheibenvorfall kommen. Spannenderweise weiß man heute, dass der gefühlte Schmerz gar nicht aus der Bandscheibe entsteht. Es sind die Nervenenden in den Faszien, die das Schmerzsignal zum Gehirn weiterleiten.
Beim Pferd ist es ähnlich, nur dass aufgrund der anderen Beschaffenheit der Bandscheibe diese nicht vorfällt. Dafür sehen wir hier langfristig aufgrund der Veränderung der Form der Wirbelsäule die Kissings Spines. Durch die Länge der Dornfortsätze und das Absinken des Rumpfes stoßen diese zusammen. Manchmal auch nur beim Reiten in der Biegung. Der Reiter wundert sich dann über ein plötzlich steigendes Pferd auf dem Zirkel. Erste Anzeichen können ein überängstliches, schreckhaftes Pferd sein, dessen vegetatives Nervensystem ständig im Fluchtmodus verharrt.
Doch häufig wird diese gerade Wirbelsäule in der Therapie nicht erkannt. Optisch liegen die Wirbel bzw. die sichtbaren Enden der Dornfortsätze harmonisch in einer Reihe. Dass die tiefe Muskulatur die Wirbel jedoch stark zusammenpresst, wird übersehen. Gerade bei Robust- Rassen ist ein wenig Übung notwendig diese Kompression zu sehen. Der Rumpf wird kürzer. Auch ein Beckenschiefstand kann darauf hinweisen.
Bitte achte deshalb selbst auf Stellen des Rückens Deines Pferdes, die sehr „gerade“ aussehen. Diese sind ab dem Widerrist bis zum Ende der Lendenwirbelsäule gut zu sehen. Wenn Du mit dem Handrücken darüberstreichst, spürst Du manchmal sogar Unterschiede in der Temperatur und kannst schnell einen Therapeuten suchen, der sich auf das Topline Syndrom spezialisiert hat.